Mittwoch, 12. Januar 2011

Rede von Außenminister und Vizekanzler Dr. Guido Westerwelle bei Eröffnung der Ausstellung „Die Mauer – Eine Grenze durch Deutschland in Berlin




Berlin 11.01.2011

--es gilt das gesprochene Wort! --

Sehr geehrte Damen und Herren,

für die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur, ohne die diese Ausstellung nicht entstanden wäre, begrüße ich den Vorsitzenden des Stiftungsrates und Außenminister a. D., Herrn Markus Meckel, sowie den Vorsitzenden des Stiftungsvorstands, Herrn Rainer Eppelmann,.

Für die Erarbeitung und Zusammenstellung der Ausstellung, begrüße ich unsere Medienpartner, den Chefredakteur der Bild-Zeitung, Herrn Kai Diekmann, sowie den stellvertretenden Chefredakteur der WELT am Sonntag, Herrn Ulf Poschardt,.

Stellvertretend für alle Zeitzeugen, die sich bereit erklärt haben, von ihren Erfahrungen zu berichten, begrüße ich die ehemalige Bürgerrechtlerin in der DDR und heutige Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Frau Marianne Birthler,die ehemalige Bürgerrechtlerin in der DDR, und heutige Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, Frau Ulrike Poppe, die ehemalige Bürgerrechtlerin in der DDR und heutige Autorin und Filmemacherin, Frau Freya Klier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

liebe Schülerinnen und Schüler

liebe Freunde,

meine Damen und Herren,

in diesem Jahr jährt sich der Bau der Mauer zum 50. Mal.

Die Mauer wurde 1961 gebaut.

1989 wurde sie niedergerissen.

Manche sagen heute, die Mauer sei “gefallen”, sie sprechen vom “Fall der Mauer”.

Die Mauer ist nicht gefallen. Sie wurde durch den Freiheitswillen der Menschen eingedrückt, und zwar von Osten nach Westen.

1990 wurde Deutschland wiedervereinigt. Mit der Wiedervereinigung wurde 1990 auch die Spaltung unseres Landes überwunden, für die die Mauer stand.

Die Ereignisse von 1989 und 1990 zeigen eindrücklich: Freiheit wird selten geschenkt.

Freiheit muss erstritten werden.

Oder wie Herr Döpfner gestern zu Recht sagte: Freiheit herrscht nicht, für die Freiheit muss man kämpfen.

Die Berliner Mauer gibt es nicht mehr, aber sie bleibt Teil der deutschen Geschichte.

Die Berliner Mauer ist Geschichte, die nicht in die Archive gehört, sondern die man erzählen muss.

Die Berliner Mauer zeigt und lehrt uns viel. Nicht nur über ein zentrales Kapitel der jüngeren deutschen Geschichte, sondern über Unfreiheit und Freiheit in der Welt.

Ich bin sehr froh, daß wir heute hier im Auswärtigen Amt in Berlin die Ausstellung "Die Mauer - Eine Grenze durch Deutschland" eröffnen können. Eine Ausstellung, die erstmals präsentiert wird, und die im Verlaufe des Jahres 2011 an vielen Orten in Deutschland und im Ausland gezeigt werden wird.

Ich freue mich sehr, daß einige der mutigen Bürgerinnen und Bürger unter uns sind, die wesentlich dazu beigetragen haben, daß die Mauer eingedrückt und letztendlich zum Einsturz gebracht werden konnte.

Nicht weniger herzlich begrüße ich die vielen Schülerinnen und Schüler, die heute dabei sind und die selbst die Mauer gar nicht mehr erlebt haben.

Wenn heute die mangelnde Kenntnis mancher Schüler über die DDR beklagt wird, dann sollten diese Kritiker nicht vergessen: Geschichte ist keine Holschuld der Jungen, sondern Bringschuld der Älteren.

Es ist unsere Aufgabe zu sagen, was war. Auch dazu leistet diese Ausstellung einen wichtigen Beitrag.

Ein Land, das es versäumt, seiner Jugend die eigene Geschichte zu vermitteln, läuft Gefahr, Fehler der Vergangenheit in der Zukunft zu wiederholen.

Ich werde nie vergessen, wie ich als 14- jähriger Junge bei meiner Konfirmationsreise mit meinem Vater auf einer Holzplattform an der Berliner Mauer stand, den Todesstreifen sah, die Holzkreuze, die bewaffneten Wachsoldaten – und begriffen habe, wohin Extremismus führt.

Bei allem Wettstreit der Parteien, ist das die erste Lehre, die uns die Berliner Mauer lehrt:

Lassen Sie uns als überzeugte Demokraten dafür kämpfen, dass politischer Extremismus in Deutschland keinen Platz bekommt.

Unter dem Druck vieler mutiger Bürgerinnen und Bürger wurde die Berliner Mauer eingerissen.

Mit dem Sturz der Mauer wurde die Teilung Deutschlands und die Teilung Europas überwunden.

Unser deutsches Versprechen für die Einheit in Freiheit war die feste Einbettung des vereinten Deutschlands in Europa und in der internationalen Staatengemeinschaft.

Europa heißt mehr Freiheit, mehr Sicherheit und mehr Wohlstand für alle.

Aber vor allem ist die europäische Einigung von Beginn an ein einzigartiges Friedensprojekt.

Sie hat die Konfrontation in Europa überwunden und durch ein Modell der Kooperation und der Integration ersetzt.

Wir dürfen nie vergessen, dass die europäische Einigung uns einen Frieden gebracht hat, von dem man über Jahrhunderte in Europa nur träumen konnte.

Für die Jüngeren ist Krieg in der Europäischen Union zurecht völlig undenkbar.

Aber Millionen von Menschen, die heute auf dem Kontinent leben, haben noch die schrecklichen Verheerungen des Zweiten Weltkrieges selbst erlebt.

Europa ist erst dann gewonnen, wenn auch die junge Generation aus vollem Herzen für Europa brennt. Das ist die zweite Lehre,die wir aus der Geschichte der Berliner Mauer ziehen müssen: Europa ist deutsches Interesse.

Schon seit über zwanzig Jahren leben wir im wiedervereinigten Deutschland.

Manche nehmen die Freiheit, die wir täglich leben, als selbstverständlich hin.

Ein Blick in die Welt zeigt aber: Die Freiheit, die wir in Deutschland leben, ist alles andere als selbstverständlich.

Nehmen Sie die Pressefreiheit:

Im Iran sind seit über drei Monaten, nämlich seit dem 10. Oktober 2010, zwei deutsche Journalisten in Haft. Sie wollten über eine zum Tode verurteilte Iranerin berichten.

Wir werden nicht locker lassen, bis unsere beiden Landsleute in die Arme ihrer Angehörigen zurückkehren können.

Nehmen Sie die Meinungsfreiheit:

Die Präsidentschaftswahlen in Weißrussland am 19. Dezember 2011 sind leider weder frei noch fair verlaufen. Am Abend der Wahl wurde die Opposition durch die Straßen Minsks gejagt und eingesperrt.

Nehmen Sie die Religionsfreiheit:

Wenn Christen verfolgt oder sogar umgebracht werden, dann ist dies unsere Angelegenheit.

Wenn in anderen Ländern jemand mit dem Tode bedroht wird, weil er zum Christentum konvertiert, schauen wir nicht weg.

Keine Religion rechtfertigt Mord.

Die Freiheits- und Menschenrechte sind universell und unteilbar. Sie sind Grundpfeiler deutscher Außenpolitik.

Deutschland wird auch in Zukunft seine Stimme erheben, wenn es um die Freiheits- und Menschenrechte geht. Denn es gibt eine Pflicht zur Einmischung in die innere Angelegenheit der Menschenrechte.

Unser Engagement für Frieden und Freiheit in der Welt ist die dritte Lehre, die wir aus der Geschichte der Berliner Mauer ziehen.

Bevor ich nun gleich das Wort an Rainer Eppelmann gebe, möchte ich der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur für die sehr gute Zusammenarbeit danken.

Ich danke auch sehr herzlich der BILD und der WELT sowie den Redakteuren Sven Felix Kellerhof und Ralf Georg Reuth für die Erarbeitung dieser hervorragenden Ausstellung, die vielen in Deutschland und im Ausland die Geschichte der Mauer und die Lehren, die wir daraus ziehen, näher bringen wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

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