Sonntag, 23. Oktober 2011

Rede des US-Botschafters Philip D. Murphy im Rahmen der Reihe von Hauptstadtreden der Stiftung Zukunft Berlin



Botschafter Philip D. Murphy sprach über das Potenzial der deutschen Bundeshaupstadt Berlin.
On 2011/10/20, in USA-Deutschland, by Amerika Dienst 

BERLIN – (AD) – Nachfolgendend veröffentlichen wir die einführende Rede, die US-Botschafter Philip D. Murphy im Rahmen der Reihe von Hauptstadtreden der Stiftung Zukunft Berlin am 20. Oktober 2011 in der US-Botschaft in Berlin hielt.

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Dr. Hassemer, 

Herr und Frau Rosenkranz, 

liebe Mitglieder der Stiftung Zukunft Berlin, 

willkommen in der Botschaft der Vereingten Staaten in Berlin. 

Vielen Dank, dass Sie uns in Ihre Vortragsreihe über die Zukunft Berlins aufgenommen haben.

Botschafter Grinin, wie ich gehört habe, fand bei Ihnen in der Botschaft der Anstoß für diese Veranstaltungsreihe statt. 

Es ist mir eine Ehre, den Spielball nun von Ihnen aufzunehmen und Sie heute hier begrüßen zu dürfen. 

Botschafter McDonald, ich freue mich sehr, Sie zu sehen. Ich vermute, dass Sie als nächster an der Reihe sind. Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind.

Ich habe einige besondere Gäste eingeladen, die mir heute aushelfen werden: Die haitianisch-amerikanische Journalistin Rose-Anne Clermont, den koreanisch-deutschen Hockeyspieler Martin Hyun und den bekannten deutschen Journalisten Ernst Elitz, der Mitglied der Stiftung ist. Herzlich willkommen!

Allein die Tatsache, dass wir uns an einem Ort versammeln, an dem einmal eine Mauer gestanden hat, sagt schon genug über die Geschichte der Stadt Berlin aus.

Diesen Konferenzraum haben wir nach Ernst Cramer benannt, einem wahren deutsch-amerikanischen Helden.

Seine gesamte berufliche Laufbahn war Ernst Cramer von seiner Vorstellung von der Zukunft dieser Stadt und dieses Landes geprägt, die über die Tyrannei der Vergangenheit weit hinausging.

Wir haben außerdem vier kleinere Konferenzräume, von denen man auch auf den Pariser Platz blickt.

Sie sind nach vier amerikanischen Präsidenten benannt, deren Worte die Beziehungen zwischen unseren Ländern in der Zeit nach dem Krieg geprägt haben.

Wir haben einen Truman Room, der nach dem Präsidenten benannt ist, der zu Beginn der Berliner Luftbrücke gesagt hat: „We are not leaving Berlin“ – und dies dann auch bewiesen hat.

Wir haben einen Kennedy Room. Wem klingen beim Gedanken an Berlin und die Vereinigten Staaten nicht seine berühmten Worte im Ohr: „Ich bin ein Berliner“?

Von diesem Fenster aus kann man fast die Stelle sehen, an der Präsident Ronald Reagan stand und sagte:

Mr. Gorbachev, tear down this wall“.

Zwei Jahre später fiel dank des Engagements der Menschen in Ostdeutschland die Mauer.

Ein weiteres Jahr später wurden die beiden Teile Deutschlands vereinigt.

Einer der größten Verfechter der Wiedervereinigung war Präsident George H.W. Bush.
In dieser Zeit hat Deutschland enger mit den Vereinigten Staaten zusammengearbeitet als mit jedem anderen Land der Welt.

Auch andere Nationen haben enge Beziehungen zu den Vereinigten Staaten gepflegt, aber Deutschland und die Vereinigten Staaten haben auf einzigartige Art und Weise zusammengearbeitet, um zwei bedeutende Ziele zu definieren und zu erreichen:

Erstens den Aufbau der Demokratie und zweitens die Überwindung der Teilung Europas.


Über Jahrzehnte hinweg schaute die Welt auf Berlin und wartete auf ein Zeichen für den Wandel.

Heute erwidert Berlin diese Solidarität, indem die Stadt ein Zeichen des Wandels an die Völker der Welt aussendet, die eine neue Vision für ihre Länder entwickeln.

Aus den Hoffnungen von 1990 ist eine Liste von komplexen Herausforderungen entstanden:

Ich habe bereits die starke Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und dem Deutschland des Kalten Krieges erwähnt.

Während der vergangenen zwanzig Jahre haben Deutschland und die Vereinigten Staaten eine neue Partnerschaft aufgebaut, die auf der gemeinsamen Vorstellung von einer offenen, demokratischen, sicheren und wohlhabenden Gesellschaft gründet.

Diese Partnerschaft beruht auf den Elementen, die sich in der Vergangenheit bewährt haben.

Sie wird durch den Kultur- und Gedankenaustausch gestärkt, der unsere beiden Länder bereichert.

Demokratie und Vielfalt, Offenheit und Pluralismus, das sind die grundlegenden Elemente einer erfolgreichen Gesellschaft.

In vielerlei Hinsicht war das 20. Jahrhundert ein Kampf gegen totalitäre Systeme.

Meines Erachtens wird der Pluralismus im 21. Jahrhundert letztendlich obsiegen.


Berlin verkörpert, ebenso wie New York oder seine Partnerstadt Los Angeles und weitere große Städte in den Vereinigten Staaten und anderen Ländern diesen Fortschritt.

Berlin ist nicht nur die Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands.

Seit Jahrzehnten ist Berlin ein Ort der Vielfalt, der Menschen auf der Suche nach Abenteuer und einem Neubeginn magnetisch anzieht. 

Keine andere Stadt in Europa hat sich in den vergangenen 65 Jahren so sehr verändert wie Berlin. 

Daher glaube ich, wenn wir über Visionen sprechen, müssen wir gar nicht weiter schauen als Berlin. 

Berlin kann die Fantasie derjenigen beflügeln, die die Wunder der Vergangenheit noch einmal erleben wollen. 

Berlin im 21. Jahrhundert verfügt über die Energie und die Vorstellungskraft, die wir für die Förderung von Demokratie und Freiheit auf der ganzen Welt benötigen. 

Schafft Berlin das? 

Berlin kann wieder zum weltweiten Vorbild werden.

Anfang der Woche habe ich unter anderem mit Bürgermeister Buschkowsky in Neukölln darüber gesprochen, wie man nicht nur das wirtschaftliche Kapital dieser Stadt entwickeln kann, das natürlich von entscheidender Bedeutung ist, sondern auch das sehr wichtige Sozialkapital.

Durch Sozialkapital entstehen starke Gemeinschaften.

Sozialkapital verbindet einzelne Menschen miteinander, und zwar nicht nur diejenigen, die gemeinsame Vorlieben oder Abneigungen haben, sondern auch diejenigen, die normalerweise gar nicht miteinander sprechen würden.

So ergeben sich Veränderungen.

So wird Vertrauen aufgebaut.

Im Laufe der Zeit wird aus dem Vertrauen zwischen Fremden ein tiefergehendes Vertrauen in soziale Institutionen.

Schließlich erwächst aus diesem Vertrauen ein gemeinsamer Katalog von Werten, Tugenden und Erwartungen der gesamten Gesellschaft.

Man macht dann die Erfahrung, dass sich die Hoffnungen und Träume, die man für seine Familien und besonders für seine Kinder hat, sehr stark ähneln – unabhängig davon, woher man kommt, welche Hautfarbe man hat oder woran man glaubt.

Ein Neuankömmling ist nicht mehr „der da“, sondern wird zu „einem von uns“.

Ich möchte dieses Gespräch heute gerne fortsetzen und vielleicht ein weiteres Element hinzufügen – das kreative Kapital.

Heute gibt es in Berlin eine extreme Mischung aus Härte, Glamour, Kreativität und experimentellem Nachtleben sowie erschwinglichen Lebenshaltungskosten, die New York in den Sechzigerjahren zur Kulturhauptstadt der Welt gemacht hat.

Die Luft in Berlin ist elektrisierend, hier entstehen neue Ideen und kreative Kräfte werden freigesetzt.

22 Jahre nach dem Fall der Mauer müssen wir nur aus dem Fenster auf den Pariser Platz schauen um zu sehen, was sich geändert hat.

Wann auch immer ich die Botschaft verlasse, kann ich hier Hip-Hop hören oder mich mit Darth Vader, einem GI oder einem russischen Soldaten fotografieren lassen.

Mindestens einmal alle zwei Wochen geht der Regierende Bürgermeister mit einem Staatsgast durch das Brandenburger Tor, oder es findet eine Kundgebung von Anmesty International statt, oder es wird ein Film gedreht.

Veränderungen sind in Berlin fast zu einer Konstante geworden.

Für die Berliner sind die Herausforderungen des Wandels nichts Neues.

Aber in diesem neuen Jahrhundert brauchen wir eine neue Denkweise, neue Energie und eine neue Bereitschaft seitens der Berliner – im kennedyschen Sinne des Wortes –, um die anstehenden Aufgaben anzugehen.

Nun möchte ich gerne Rose-Anne, Martin und Ernst bitten, zu mir nach vorne zu kommen.

Den Originaltext der Rede des Botschafters der Vereinigten Staaten in Deutschland Philip D. Murphy finden Sie hier:

 

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