Seien Sie alle herzlich willkommen hier im Schloss Bellevue. So viel an persönlicher Währungsgeschichte und Währungspolitik vereint ist etwas Besonderes. Die Verantwortung für die Stabilität unserer gemeinsam so erfolgreichen Währung Euro liegt gerade in Ihren Händen – in ganz schwieriger Zeit.
Ich danke für das offene Gespräch mit EZB-Präsident Trichet, danke ihm für so überaus engagierte Arbeit als Präsident und wünsche Herrn Draghi großen Erfolg nach der Amtsübernahme am 1. November 2011.
Europa ist ein mutiges, ein einzigartiges Projekt. Es lebt von den gemeinsamen Anstrengungen und dem Willen zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit für Frieden, Freiheit und Wohlstand.
Vor fast 60 Jahren hatten die Staatsmänner Monnet, Schuman und Adenauer den Mut und den Weitblick für die dauerhafte Aussöhnung der europäischen Nationen. Auf dem Weg der Europäischen Einigung gab es immer wieder Rückschläge und Probleme. Sie wurden aber stets gemeinsam gelöst. Krisen wurden als Chancen genutzt. Dies ist der Kern des Europäischen Gedankens. Das muss auch jetzt so sein. Deutschland steht zu Europa und zum Euro.
Gerade hier in Berlin möchte ich an die tiefgehenden gesellschaftlichen Umbrüche erinnern, die die mittel- und osteuropäischen Staaten seit dem Fall der Berliner Mauer und des Eisernen Vorhangs insgesamt so erfolgreich bewältigt haben. Sie zeigen beispielhaft die Fähigkeit zum Wandel, die Europa ausmacht.
Europa stellt einen weit größeren Auftrag dar, als die gegenwärtigen Herausforderungen der wirtschaftlichen und finanziellen Probleme manchmal Glauben machen. Wenn wir die Banken- und Schuldenprobleme an ihren Wurzeln packen, dann wird Europa gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.
Eine stabile Währungsunion liegt im Interesse Europas und auch im nationalen Interesse Deutschlands. Als bevölkerungsreichstes und wirtschaftsstarkes Mitgliedsland sieht sich Deutschland in einer besonderen Verantwortung. Diesem Verständnis bleiben wir treu verpflichtet.
Vor uns liegen große Entscheidungen, die Mut erfordern. Alle Verantwortlichen arbeiten mit großer Kraftanstrengung daran, den Euro zu sichern. Dabei solidarisch zu helfen, also Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, dies sieht Deutschland als seine Aufgabe an.
Nicht allen ist klar, in welcher Lage wir uns befinden. Die Politik mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft ist an ihr Ende gekommen. Wir alle können aber auf Dauer ökonomische Gesetzmäßigkeiten nicht außer Kraft setzen. Wir Europäer müssen mutiger werden und das Heft des Handelns in die Hand nehmen.
Es geht um mehr, als um vorübergehende Wirtschafts- und Haushaltsnotlagen. Alle Mitgliedstaaten in Europa haben ihren Willen bekräftigt, die Ausgaben anzupassen und ihre Haushalte zu sanieren. Ich bin davon überzeugt, dass wir alle zu den Stabilitätskriterien der Währungsunion zurückkehren müssen und werden. Und dass uns dies gemeinsam gelingt.
Wir alle haben ein ureigenes Interesse an finanzpolitischer Solidität und die gleiche Verpflichtung, uns an die gemeinsam beschlossenen Stabilitätsvorgaben zu halten. Zum universellen Völkerrecht und zum gemeineuropäischen Verfassungsrecht gehört der Grundsatz: „Pacta sunt servanda.“ Wenn alle die Regeln einhalten, wird das Vertrauen in die europäischen Institutionen Bestand haben.
Glaubwürdigkeit und Vertrauen sind die wichtigsten Währungsreserven jeder Zentralbank. Die Notenbanken betonen zu Recht ihre Unabhängigkeit. Sie ist ein hohes Gut und gesetzlich und vertraglich verankert. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass die EZB ihren primären Auftrag, Preisstabilität zu gewährleisten, erfüllen kann. Auf dieses Mandat müssen EZB und die Zentralbanken alle Kräfte richten.
Ich begrüße, dass nun Einigkeit besteht, den Stabilitäts- und Wachstumspakt mehr Durchsetzungskraft zu geben und die Anforderungen an die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Mitgliedstaaten zu erhöhen. Auch werden die Möglichkeiten verschärft, Sanktionen zu verhängen. Diese Reform wird greifen, wenn alle ihre Rollen annehmen und ihrer Verantwortung in vollem Umfang gerecht werden.
Europa hat nun den institutionellen Rahmen der Währungsunion gestärkt, einen Euro-Rettungsschirm eingerichtet, der nun erweitert wird, und einen dauerhaften Krisenmechanismus beschlossen. Die Instrumente, die fortan zur Verfügung stehen, müssen so eingesetzt werden, dass Verantwortung und Haushaltsdisziplin in den Mitgliedstaaten gestärkt werden. Finanzielle Hilfen in Notlagen erfolgen bereits befristet und konditioniert. Das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Finanzpolitik bleibt ein konstitutiver und notwendiger Bestandteil der Währungsunion. Ein umfassender Finanztransfer ist für alle keine Lösung.
Am besten schützen wir unsere Demokratie und unsere Unabhängigkeit, wenn wir schnell die Spirale von immer höheren staatlichen Ausgaben und höheren Schulden durchbrechen und die Politik des billigen Geldes beenden. Solidarität in Europa erfordert, den nachkommenden Generationen Chancen und Gestaltungsfreiheiten zu belassen. Das ist Generationengerechtigkeit. Wir Europäer müssen zu unseren eigenen Grundsätzen einer offenen, freien und sozialen Marktwirtschaft zurückkehren.
Diese Krise ist nicht nur eine wirtschaftliche und finanzielle Krise, sondern im Kern eine Krise des Vertrauens. Krisen sind immer Chancen, Schwachpunkte auszuräumen und einen neuen Aufbruch zu wagen. Bei starkem Handlungswillen ist die Lage beherrschbar. Wir Europäer müssen handeln, sonst gehen Unabhängigkeit, Einfluss und Gestaltungsspielraum verloren. Ich bin mir sicher: Als Stabilitätsunion wird die Europäische Währungsunion Bestand haben und die Stimme Europas überzeugend hörbar bleiben.
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