Montag, 19. September 2011

Der Bundespräsident: Rede von Christian Wulff auf dem Deutsch-Türkischen Wirtschaftsforum 2011 in Berlin




Letzten Oktober diskutierten wir auf einem Forum in Kayseri die Chancen unserer beiden Länder für eine noch engere, intensivere wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Sehr geehrte Herren Präsidenten der Handelskammern, Ihnen und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möchte ich für die Vertiefung unserer Wirtschaftsbeziehungen meinen besonderen Dank aussprechen. Die Deutsch-Türkische Industrie- und Handelskammer in Istanbul hilft kräftig mit. Gerade Mittelständler nehmen die Dienste gerne in Anspruch.

Am Vormittag ist das neue Doppelbesteuerungsabkommen in unserem Beisein unterzeichnet worden. Es tritt rückwirkend zum Jahresbeginn 2011 in Kraft. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt für verlässliche, berechenbare Rahmenbedingungen.
 
Der Aufschwung hat die Rolle der Türkei in der Region, an der Schnittstelle von Europa und dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch ihre Rolle in der Weltwirtschaft gestärkt.

Deutschland hat ein besonderes Interesse an einer weiteren Annäherung der Türkei an die Europäische Union. Ich ermutige, den eingeschlagenen Weg der Reformen fortzusetzen.

Deutschland will Nummer Eins im Handel mit der Türkei bleiben. Deutschland ist weiterhin der mit Abstand größte ausländische Investor in der Türkei. Seit 1962 gibt es einen bilateralen Investitionsschutzvertrag. Viele deutsche Industrieunternehmen haben seitdem in großem Umfang in der Türkei investiert. Weitere große Chancen tun sich auf, etwa beim Ausbau der Infrastruktur.

Wichtig dabei ist: Das Engagement deutscher Firmen in der Türkei ist langfristig. Dazu zählen qualifizierte und motivierte Arbeitskräfte.
 
Eine große Chance steckt im Ausbau der türkischen Energiewirtschaft. Die Zusammenarbeit im Energiebereich kann somit ein ganz entscheidender Wachstumstreiber sein. Es ist ein wichtiges Signal, dass die Fachexperten beider Länder übermorgen in Stuttgart auf einem Wirtschaftsforum zu Regenerativen Energien zusammenkommen. Staatspräsident Gül und ich haben die Schirmherrschaft übernommen. Am 4. November werden die beiden Fachminister das Deutsch-Türkische Energieforum in Ankara eröffnen. Die Zusammenarbeit ist konkret und erfolgversprechend.

Die Zusammenarbeit findet auch immer mehr in technologieintensiven Sektoren, wie zum Beispiel der zivilen Luftfahrt, statt. So sind über 2.000 Arbeitsplätze in der Türkei in den letzten Jahren geschaffen worden.

Es gibt dabei auch Herausforderungen, die wir offen und in aller Freundschaft ansprechen und gemeinsam lösen müssen. Dazu zählen weiterhin Erleichterungen bei der Visa-Vergabe an türkische Geschäftsreisende. Hier sollte die Bundesregierung die Verbesserungsmöglichkeiten prüfen und dann auch umsetzen.

Wirtschaftlich zusammenarbeiten – das heißt auch voneinander lernen. Ich habe mit großem Interesse in Gesprächen mit dem Verband Türkischer Unternehmerinnen in Istanbul und Berlin über die Rolle der Frau in der Türkei erfahren. Und über den recht hohen Anteil von Frauen in führenden Positionen in Wirtschaft und Verwaltung in den städtischen Zentren.

Dynamische, kraftvolle, moderne Gesellschaften wollen wir sein, die Türkei und Deutschland. Dies geht nur, wenn wir innovativ und offen sind für Neues, für Fremdes und für Fremde. Es ist nun ein halbes Jahrhundert vergangen, als im Jahr 1961 Deutschland mit der Türkei ein Anwerbeabkommen abschloss. Hunderttausende Menschen nutzten die Chance und kamen mit ihren Familien, mit Motivation und ihren Hoffnungen zu uns ins Land.

Heute sind viele von ihnen deutsche Staatsbürger oder haben deutsche Kinder und Enkelkinder. Ich bin dankbar, dass sie bei uns sind.
 
Der Anfang war häufig schwierig. Auf beiden Seiten gab es Versäumnisse, die die Integration erschwert haben. Umso wichtiger ist es, dass heute allen bewusst ist, dass Bürgerinnen und Bürger türkischer Herkunft zu Deutschland dazugehören - mit Rechten und Pflichten, auch mit der Bereitschaft, sich in das Gemeinwesen einzubringen. Hier sehe ich noch einiges an Potenzialen für unsere Gesellschaft.

Dabei gilt zugleich: Kulturelle und religiöse Identitäten sind eigen, sie sind zu achten und können von jedefrau und jedermann gewahrt und gepflegt werden. Herkunft und Ethnizität dürfen nach unserem Grundgesetz keine Rolle spielen. Der Rechtsstaat schützt und bindet uns hier.

Die rund drei Millionen Menschen in Deutschland mit familiären Bindungen in die Türkei sind heute das wichtigste Band zwischen unseren beiden Ländern. Viele von ihnen haben als Unternehmer zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Dafür danke ich. Machen Sie weiter so!

Ich danke heute denen, die seit 1961 gekommen sind und unseren Wohlstand mitbegründet haben.

Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel zur Integration und zum Erfolg in der globalisierten Welt, in der wir gemeinsam leben. Noch nie waren die Möglichkeiten, in Deutschland einen Beruf zu lernen und sich in diesem Beruf zu entwickeln, so vielfältig wie heute

Berufliche Qualifikation setzt voraus, dass man die Sprache des Landes spricht. Und wer in zwei Sprachen und Kulturen zu Hause ist, hat sogar noch mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Eine gute Ausbildung ist Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben und für gesellschaftliche Teilhabe. Sie ist Grundlage für individuelles Glück und für sozialen Frieden. Sie können die Unternehmerinnen und Unternehmer von morgen sein, die Präsident Gül und ich gerne treffen werden!

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