Freitag, 3. September 2010

Rede des Ministers für Inneres und Kommunales Ralf Jäger anlässlich der Sitzung des Innenausschusses am 02.09.2010 "Unglück bei der Loveparade am 24.0

Rede des Ministers für Inneres und Kommunales Ralf Jäger anlässlich der Sitzung des Innenausschusses am 02.09.2010 "Unglück bei der Loveparade am 24.07.2010"


Anrede,
über 5 Wochen sind seit den schrecklichen Ereignissen in Duisburg vergangen. Uns alle bedrückt die Frage, wie es zu dieser Tragödie kommen konnte. Über diese wichtige Klärung hinaus tue ich alles mir Mögliche dafür, dass wir die richtigen Lehren aus diesem Unglück ziehen. Wir müssen Fehler und Unzulänglichkeiten identifizieren, damit sie in der Zukunft nicht mehr passieren. Dazu sollten alle Akteure ehrlich und transparent beitragen. Hierbei gilt Sorgfalt und Genauigkeit vor Eile und grober Vereinfachung!
Leider sind trotzdem in den vergangenen Tagen ungeheuerliche Vorwürfe gegen die Polizei geäußert worden. Wir haben das bisher nicht öffentlich kommentiert, weil Sie im Innenausschuss das Recht auf die erste Information haben. Die wird Ihnen der Inspekteur der Polizei, Dieter Wehe, gleich geben, damit Sie sich aus erster Hand ein Bild machen können.

Anrede,
als Innenminister habe ich die Aufsicht über die Polizei. Deshalb beteilige ich mich nicht an Spekulationen, sondern konzentriere mich auf die Fakten.
Daher habe ich von Beginn an auf Transparenz und größtmögliche Offenheit gesetzt. Ich wiederhole mich, wenn ich sage: Dazu gehört auch das Eingestehen von Fehlern. Mir war und ist es besonders wichtig, das Parlament und die Öffentlichkeit so schnell wie möglich über das Geschehen zu informieren. Grundlage unserer Information ist weiterhin die Berichterstattung der einsatzführenden Polizeibehörde - also des Polizeipräsidiums Duisburg.
Genauso deutlich sage ich, dass wir nur das darstellen können, was mit Blick auf das laufende staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren möglich und zulässig ist. Daher zeigen wir keine Videos, sondern beschränken uns auf Standbilder.

Ich will, dass die Ereignisse, die zu diesem katastrophalen Unglück geführt haben, vollständig aufgeklärt werden. Dazu werde ich - wie bisher - alles tun, was mir möglich ist. Dabei gehen wir unverändert bis an die äußerste Grenze des rechtlich vertretbaren Handelns.

Anrede,
o Bereits zwei Tage nach dem Unglück habe ich die Innenpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen umfassend über den damals aktuellen Sachstand unterrichtet. Ich erinnere daran, dass wir im Anschluss gemeinsam den vorbildlichen Rettungseinsatz von Rettungskräften und Polizei in einer Presseerklärung gelobt haben.
o Am Folgetag habe ich die Berufsvertretungen der Polizei informiert. Dies ist von diesen gemeinsam als vorbildlich - auch öffentlich - gewürdigt worden. Dafür danke ich.
o Direkt am nächsten Tag, dem 27.07.2010, habe ich gemeinsam mit dem Inspekteur der Polizei, Herrn Dieter Wehe, die Öffentlichkeit im Rahmen einer Pressekonferenz informiert.
o Am 4. August 2010 haben wir in einer Sondersitzung dieses Ausschusses ausführlich den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Sachstand dargestellt und mit ihnen diskutiert. Die von uns dazu vorbereiteten Unterlagen haben wir ihnen unmittelbar zur Verfügung gestellt.


Anrede,
Ihnen liegen unsere Antworten auf die Fragenkataloge der Fraktion der CDU, der FDP und der Fraktion DIE LINKE schriftlich vor. Ich danke Ihnen für Ihre Fragen, die mit zur Aufklärung der Vorgänge beitragen. In der Sondersitzung haben wir, soweit es zu diesem Zeitpunkt möglich war, auf die Fragen geantwortet. In die schriftliche Beantwortung haben wir nun auch die zusätzlichen Fragen - sehr geehrter Herr Kollege Biesenbach - die Sie mir mit Schreiben vom 17. August 2010 übersandt haben, einbezogen.
Eine frühere schriftliche Beantwortung der Fragen hätte nicht die notwendige Aktualität und Vollständigkeit für die heutige Diskussion im Ausschuss gewährleistet. Viele Fragen richteten sich an die Stadt Duisburg und den Veranstalter. Diese konnten wir nur soweit beantworten, wie uns dazu gesicherte Erkenntnisse des PP Duisburg vorlagen.
Ich finde es daher wichtig, dass Herr Sauerland und Herr Schaller von der Vorsitzenden in den heutigen Ausschuss eingeladen und aufgefordert worden sind, ihren Teil der Beantwortung mit der gleichen Offenheit und Transparenz vorzunehmen.

Auch den Einsatzbefehl des PP Duisburg haben wir vorgestern übersandt. Die Staatsanwaltschaft hat uns gebeten, weitere Unterlagen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Verfügung zu stellen, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Das respektieren wir selbstverständlich und bitten insoweit um ihr Verständnis.

In der Sondersitzung haben die Fragen hinsichtlich der Zuständigkeiten der beteiligten Behörden und des Veranstalters und der sich jeweils daraus ergebenden Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung breiten Raum eingenommen und Anlass zu weiteren Fragen gegeben. Wir haben daher unmittelbar nach der Sitzung Herrn Prof. Dr. Mayen beauftragt, hierzu eine Expertise zu erstellen. Diese liegt ihnen seit gestern vor. Im Anschluss wird ihnen Herr Prof. Dr. Mayen seine Ergebnisse kurz vorstellen.

Ihnen liegt damit umfassend vor, was wir aktuell unter den genannten Bedingungen zum Geschehensablauf und zu den aufgeworfenen Rechtsfragen sagen können.

Anrede,
heute wissen wir mehr, als unmittelbar nach dem Unglück. Wir wissen natürlich auch mehr, als zum Zeitpunkt der Sondersitzung. Trotzdem kann unsere Darstellung kein endgültiges Ergebnis sein. Vorfestlegungen oder gar Schuldzuweisungen, wie sie in den letzten Tagen geäußert wurden, sind unseriös und interessengeleitet. Unser Wissen legen wir heute wieder offen und wir klären weiter auf.

Zwischenzeitlich sind neue Fragen aufgekommen, die die Arbeit der Polizei im Zusammenhang mit der Loveparade betreffen. Einen Teil der Fragen haben wir beantwortet. Die Polizei wurde aber auch mit Unterstellungen und Behauptungen, zuweilen mit Auszügen aus Schriftstücken und Videoaufnahmen konfrontiert.
Zum Umgang und der Bewertung solcher aus dem Zusammenhang gerissener Einzelaspekte möchte ich aus der Presseerklärung der ermittelnden Staatsanwaltschaft Duisburg vom 27.07.2010 zitieren:

"Es steht zu erwarten, dass gerade bei der Frage nach den Ursachen der tragischen Unglücksfälle eine Vielzahl von unterschiedlichen Aspekten zusammenzutragen und in einer Gesamtschau zu bewerten sein wird. Jede auf einzelne Ermittlungsergebnisse beschränkte, wertende Auskunft birgt daher die Gefahr, einen unzutreffenden Eindruck von dem Stand oder der Richtung der Ermittlungen zu vermitteln."

Ich bitte deshalb um Verständnis, dass es erst nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft möglich sein wird, das Handeln einzelner Polizisten zu rekonstruieren und zu bewerten.

Darüber hinaus bleibe ich dabei, dass es unrealistisch ist, bei dem unfassbaren Chaos auf Veranstalterseite einen fehlerfreien Polizeieinsatz zu erwarten.

Anrede,
es gab vom Veranstalter ein Sicherheitskonzept für den Fall drohender Überfüllung und zur Steuerung des Besucherstroms. Wir wissen nicht, warum die geplanten und verbindlich zugesagten Maßnahmen auf Seiten der Ordner versagt haben.
Gleiches gilt für die Kommunikation zwischen den Verantwortlichen der Stadt Duisburg, dem Veranstalter und der Polizei während der Veranstaltung. Die hier zwischen allen Beteiligten verbindlich abgesprochenen Kommunikationswege wurden in der entscheidenden Phase offensichtlich nicht genutzt.
Die Gründe dafür müssen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geklärt werden.


Anrede,
allein darauf zu warten hilft nicht. Wir müssen jetzt sicherstellen, dass sich ein Unglück wie bei der Loveparade nicht wiederholt.
Die Menschen in unserem Land erwarten, dass sie auch bei Großveranstaltungen sicher und unbeschwert feiern können. Deshalb müssen wir genau wissen, wie wir die Sicherheit bei Großveranstaltungen verbessern können. Der erste Schritt dazu ist die umfassende Nachbereitung des Polizeieinsatzes. Dabei wird selbstverständlich auch die Zusammenarbeit mit den anderen Beteiligten einbezogen.
Ich versichere Ihnen, wir werden alle notwendigen Konsequenzen ziehen. Dazu habe ich bereits erste Initiativen ergriffen und klare Punkte definiert. Und sie zeigen jetzt bereits Wirkung.
Über die Maßnahmen der Landesregierung im Zusammenhang mit Großveranstaltungen habe ich Sie in der Sondersitzung und die Öffentlichkeit in einer Pressekonferenz am 17. August 2010 umfassend informiert.

Bevor Herr Wehe Ihnen Fakten zum Sicherheitskonzept und dem Geschehensablauf im Tunnel und Rampenbereich darstellt, wird ihnen Herr Prof. Dr. Mayen das Ergebnis seines Gutachtens zusammenfassen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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