Worte des Gedenkens von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft aus Anlass des Gottesdienstes für die Opfer des Unglücks bei der Loveparade in der Salvatorkirche, Duisburg,am 31. Juli 2010
Redebeginn, gegen 11.50 Uhr!
Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
Wir alle, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Duisburg, des Landes
Nordrhein-Westfalen und aus ganz Deutschland, halten heute inne,
nehmen Anteil und trauern.Wir fühlen mit den Angehörigen und Freunden
der Toten, deren Leben so jäh und grausam beendet wurde. Wir
sind aber auch in Gedanken bei den vielen Verletzten, die körperliche
und seelische Schäden davon getragen haben.
Es ist schwer,Worte zu finden angesichts des Todes. Und noch schwerer
ist es, angesichts der Umstände unter denen 21 junge Menschen
plötzlich aus dem Leben gerissen wurden: Aus ihren Hoffnungen und
Träumen, aus ihren Zukunftsplänen, mitten aus ihren Familien und
Freundeskreisen. Sie alle hatten ihre ganze Zukunft noch vor sich. Sie
wollten fröhlich und friedlich feiern, zusammen mit vielen anderen. Einige
Stunden den Alltag vergessen. Gemeinsamkeit erleben.
Angesichts des großen Leids der Angehörigen und vieler Menschen, die
mit Ihnen fühlen, ist es nicht einfach, Trost zu finden, oder Trost zu
spenden. Herr Bischof Overbeck und Herr Präses Schneider, Sie haben
uns in dieser schweren Stunde mit Ihren einfühlsamen Worten Halt gegeben
und Trost gespendet.
Trost, das mag für viele noch zu früh sein - angesichts all der schrecklichen
Bilder, die wir gesehen und die sich in unseren Köpfen einprägt
haben und angesichts all dessen, was sie selbst erlebt haben und verarbeiten
müssen.
II.
Uns alle lässt das Geschehene nicht los. Es macht uns betroffen, hilflos
und manche auch wütend. Viele Fragen, noch zu wenige Antworten.
Jede Katastrophe erschüttert uns und lässt uns die Frage nach dem
„Warum“ stellen. Für diese Katastrophe gilt das in besonderer Weise.
21 Menschen sind ums Leben gekommen. Junge Frauen und Männer
aus Deutschland, aus vielen Ländern Europas und der ganzenWelt,
aus Australien, Bosnien-Herzegowina, China, Italien, den Niederlanden
und aus Spanien.
Mehr als fünfhundert Verletzte mussten - und einige müssen immer
noch - in den Krankenhäusern versorgt werden.
Und dann gibt es die vielen Tausend, die dabei waren, die überlebt haben.
Viele von ihnen empfinden Ohnmacht, weil sie nicht haben helfen kön- Seite 3 von 4
nen. Viele sind traumatisiert angesichts des Erlebten und viele sind entsetzt
angesichts der Bilder, die sie für immer in sich tragen. Die seelisch
Verwundeten leiden still, aber sie leiden und brauchen Hilfe. Auch an sie
denken wir in dieser Stunde.
Ich kann nachempfinden, was Eltern, Großeltern, Geschwister und
Freunde durchlitten haben, die stundenlang auf ein Lebenszeichen warten
mussten.
Erschüttert sind aber auch Millionen Menschen, die über die Bilder im
Fernsehen, im Internet oder in Zeitungen Zeugen dieser Tragödie geworden
sind.
Ihnen allen und nicht zuletzt uns selbst, sind wir es schuldig, das Geschehene
und Unfassbare lückenlos aufzuklären.
Wie konnte dies geschehen?Wer trägt Schuld, wer ist verantwortlich?
Diese Fragen müssen und werden eine Antwort finden!
III.
Es gibt eine weitere Gruppe, die bei den Ereignissen vom vergangenen
Samstag großen körperlichen und seelischen Belastungen ausgesetzt
war: Die Ordnungskräfte und die vielen Helferinnen und Helfer.
Die Einträge in den Kondolenzbüchern und im Internet zeigen deutlich,
dass sie unter schwersten Bedingungen ihr Bestes gegeben haben, um
Menschen zu retten: Als Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, als Rettungssanitäter,
als Ärzte, als Feuerwehrleute und Polizisten, als Mitarbeiter
der Verwaltung, als Ordner, als Schaffner oder Busfahrer und
schließlich als Mitarbeiter der Bahnhofsmission und als Notfallseelsorger.
Viele haben bis an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit nahezu Übermenschliches
geleistet. Dafür danken wir ihnen.
Und dann gibt es noch die, die hautnah dabei waren und deren Hilfe gar
nicht hoch genug bewertet werden kann. Ich habe mit einigen gesprochen,
die als Teilnehmer dieses Festes zu Helfern wurden:
· sie haben andere aufgerichtet, damit sie nicht hinfielen,
· sie haben andere gestützt, denen die Kraft zum Stehen fehlte,
· sie haben anderen zu trinken gegeben, damit sie nicht kollabieren,
· sie haben ihre Hand gereicht, obwohl sie selber eingezwängt waren.
Vieles davon geschah ungesehen. Als stille Hilfe. Aber diese Hilfe ist in
der Welt. Und wir sind dankbar dafür.
IV.
Ich fühle selbst wie schwer es ist, sich nach einer solchen Woche wieder
dem Leben zuzuwenden.
Wenn Sie gleich zurückkehren an die Plätze und Orte, wo Sie leben und
arbeiten, dann ist ihr Herz gewiss noch schwer. Es braucht Zeit, und in
vielen Fällen auch Hilfe, um all das zu begreifen, was geschehen ist.
In den letzten Tagen habe ich mit vielen Angehörigen gesprochen. Diese
Gespräche haben mich sehr bewegt. Der Vater eines der Opfer hat
mir eine Bitte mitgegeben, die sich an uns alle richtet. Der grausame
Tod seiner Tochter könne im Nachhinein noch einen Sinn bekommen,
wenn dieser Tod uns mahnt, unser aller Wertesystem zu überdenken.
Der Mensch, seinWohlergehen und seine Sicherheit müsse wieder
wichtigste Leitlinie unseres Handelns sein, vor allen anderen Motiven.
Das wird uns Verpflichtung sein.
Liebe Angehörige, liebe Trauernde,
wir stehen in dieser schweren Stunde an Ihrer Seite und fühlen mit Ihnen.
Als Land Nordrhein-Westfalen werden wir allen Betroffenen, die
Unterstützung benötigen, schnell und unbürokratisch helfen.
Aber wir wissen auch, wir können Ihren Schmerz nicht ermessen und
nicht lindern.
Und doch bitte ich Sie: Öffnen Sie Ihre Herzen, für alle, die Ihnen Trost
spenden wollen und Ihnen über den Verlust eines unersetzlichen, geliebten
Menschen hinweg helfen möchten.
Sie sind nicht allein.
Quelle: http://www.nrw.de/web/media_get.php?mediaid=14421&fileid=40877&sprachid=1
Redebeginn, gegen 11.50 Uhr!
Es gilt das gesprochene Wort -
Anrede,
Wir alle, die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Duisburg, des Landes
Nordrhein-Westfalen und aus ganz Deutschland, halten heute inne,
nehmen Anteil und trauern.Wir fühlen mit den Angehörigen und Freunden
der Toten, deren Leben so jäh und grausam beendet wurde. Wir
sind aber auch in Gedanken bei den vielen Verletzten, die körperliche
und seelische Schäden davon getragen haben.
Es ist schwer,Worte zu finden angesichts des Todes. Und noch schwerer
ist es, angesichts der Umstände unter denen 21 junge Menschen
plötzlich aus dem Leben gerissen wurden: Aus ihren Hoffnungen und
Träumen, aus ihren Zukunftsplänen, mitten aus ihren Familien und
Freundeskreisen. Sie alle hatten ihre ganze Zukunft noch vor sich. Sie
wollten fröhlich und friedlich feiern, zusammen mit vielen anderen. Einige
Stunden den Alltag vergessen. Gemeinsamkeit erleben.
Angesichts des großen Leids der Angehörigen und vieler Menschen, die
mit Ihnen fühlen, ist es nicht einfach, Trost zu finden, oder Trost zu
spenden. Herr Bischof Overbeck und Herr Präses Schneider, Sie haben
uns in dieser schweren Stunde mit Ihren einfühlsamen Worten Halt gegeben
und Trost gespendet.
Trost, das mag für viele noch zu früh sein - angesichts all der schrecklichen
Bilder, die wir gesehen und die sich in unseren Köpfen einprägt
haben und angesichts all dessen, was sie selbst erlebt haben und verarbeiten
müssen.
II.
Uns alle lässt das Geschehene nicht los. Es macht uns betroffen, hilflos
und manche auch wütend. Viele Fragen, noch zu wenige Antworten.
Jede Katastrophe erschüttert uns und lässt uns die Frage nach dem
„Warum“ stellen. Für diese Katastrophe gilt das in besonderer Weise.
21 Menschen sind ums Leben gekommen. Junge Frauen und Männer
aus Deutschland, aus vielen Ländern Europas und der ganzenWelt,
aus Australien, Bosnien-Herzegowina, China, Italien, den Niederlanden
und aus Spanien.
Mehr als fünfhundert Verletzte mussten - und einige müssen immer
noch - in den Krankenhäusern versorgt werden.
Und dann gibt es die vielen Tausend, die dabei waren, die überlebt haben.
Viele von ihnen empfinden Ohnmacht, weil sie nicht haben helfen kön- Seite 3 von 4
nen. Viele sind traumatisiert angesichts des Erlebten und viele sind entsetzt
angesichts der Bilder, die sie für immer in sich tragen. Die seelisch
Verwundeten leiden still, aber sie leiden und brauchen Hilfe. Auch an sie
denken wir in dieser Stunde.
Ich kann nachempfinden, was Eltern, Großeltern, Geschwister und
Freunde durchlitten haben, die stundenlang auf ein Lebenszeichen warten
mussten.
Erschüttert sind aber auch Millionen Menschen, die über die Bilder im
Fernsehen, im Internet oder in Zeitungen Zeugen dieser Tragödie geworden
sind.
Ihnen allen und nicht zuletzt uns selbst, sind wir es schuldig, das Geschehene
und Unfassbare lückenlos aufzuklären.
Wie konnte dies geschehen?Wer trägt Schuld, wer ist verantwortlich?
Diese Fragen müssen und werden eine Antwort finden!
III.
Es gibt eine weitere Gruppe, die bei den Ereignissen vom vergangenen
Samstag großen körperlichen und seelischen Belastungen ausgesetzt
war: Die Ordnungskräfte und die vielen Helferinnen und Helfer.
Die Einträge in den Kondolenzbüchern und im Internet zeigen deutlich,
dass sie unter schwersten Bedingungen ihr Bestes gegeben haben, um
Menschen zu retten: Als Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, als Rettungssanitäter,
als Ärzte, als Feuerwehrleute und Polizisten, als Mitarbeiter
der Verwaltung, als Ordner, als Schaffner oder Busfahrer und
schließlich als Mitarbeiter der Bahnhofsmission und als Notfallseelsorger.
Viele haben bis an die Grenzen Ihrer Belastbarkeit nahezu Übermenschliches
geleistet. Dafür danken wir ihnen.
Und dann gibt es noch die, die hautnah dabei waren und deren Hilfe gar
nicht hoch genug bewertet werden kann. Ich habe mit einigen gesprochen,
die als Teilnehmer dieses Festes zu Helfern wurden:
· sie haben andere aufgerichtet, damit sie nicht hinfielen,
· sie haben andere gestützt, denen die Kraft zum Stehen fehlte,
· sie haben anderen zu trinken gegeben, damit sie nicht kollabieren,
· sie haben ihre Hand gereicht, obwohl sie selber eingezwängt waren.
Vieles davon geschah ungesehen. Als stille Hilfe. Aber diese Hilfe ist in
der Welt. Und wir sind dankbar dafür.
IV.
Ich fühle selbst wie schwer es ist, sich nach einer solchen Woche wieder
dem Leben zuzuwenden.
Wenn Sie gleich zurückkehren an die Plätze und Orte, wo Sie leben und
arbeiten, dann ist ihr Herz gewiss noch schwer. Es braucht Zeit, und in
vielen Fällen auch Hilfe, um all das zu begreifen, was geschehen ist.
In den letzten Tagen habe ich mit vielen Angehörigen gesprochen. Diese
Gespräche haben mich sehr bewegt. Der Vater eines der Opfer hat
mir eine Bitte mitgegeben, die sich an uns alle richtet. Der grausame
Tod seiner Tochter könne im Nachhinein noch einen Sinn bekommen,
wenn dieser Tod uns mahnt, unser aller Wertesystem zu überdenken.
Der Mensch, seinWohlergehen und seine Sicherheit müsse wieder
wichtigste Leitlinie unseres Handelns sein, vor allen anderen Motiven.
Das wird uns Verpflichtung sein.
Liebe Angehörige, liebe Trauernde,
wir stehen in dieser schweren Stunde an Ihrer Seite und fühlen mit Ihnen.
Als Land Nordrhein-Westfalen werden wir allen Betroffenen, die
Unterstützung benötigen, schnell und unbürokratisch helfen.
Aber wir wissen auch, wir können Ihren Schmerz nicht ermessen und
nicht lindern.
Und doch bitte ich Sie: Öffnen Sie Ihre Herzen, für alle, die Ihnen Trost
spenden wollen und Ihnen über den Verlust eines unersetzlichen, geliebten
Menschen hinweg helfen möchten.
Sie sind nicht allein.
Quelle: http://www.nrw.de/web/media_get.php?mediaid=14421&fileid=40877&sprachid=1
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